[Rezension] Netgalley schenkt Bewusstsein

Such a Fun Age – Kiley Reid

Alix Chamberlain ist eine Frau, die bekommt, was sie will, und die ihr Geld damit verdient, anderen Frauen genau das beizubringen. Als ihrer Babysitterin Emira Kidnapping vorgeworfen wird, weil sie sich kurz vor Mitternacht mit Alix‘ weißer Tochter in einem Supermarkt aufhält, ist Alix schockiert und will den Vorfall wiedergutmachen.
Doch Emira hat andere Sorgen: Kurz vor ihrem fünfundzwanzigsten Geburtstag hat sie immer noch keinen richtigen Job, sie ist ständig pleite und misstrauisch gegenüber Alix‘ Wunsch zu helfen. Je verzweifelter Alix Emira zu einem Teil ihrer Familie machen will, desto mehr verrennt sie sich. Dann geht ein Video online und stellt alles in Frage, was sie zu wissen glaubten: über sich selbst, einander, und die komplexe Dynamik von Privilegien.

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Was ich zu sagen habe…

Von diesem Buch hatte ich bereits einiges gesehen, bevor ich es als Hörbuch auf Netgalley entdeckte, jedoch konnte ich es bis zum Lesen des Klappentextes wenig einordnen. Bis jetzt fällt es mir schwer, den Titel des Romans mit dem Inhalt überein zu bringen, doch dieser hat es allemal in sich. Zwei Frauen stehen im Mittelpunkt dieser Geschichte, die aus der Er/Sie-Perspektive erzählt wird und doch kommt man ihnen beiden extrem nahe und kann ihre Gedanken und Beweggründe gut nachvollziehen, obwohl sowohl die Frauen, als auch ihre Motivationen sehr verschieden sind, was der Geschichte von Anfang an eine gewisse Spannung auferlegt. Doch die Handlung selber scheint nur recht langsam voran zu kommen und nach dem angedeuteten Wendepunkt bleibt es verhalten ruhig und der Konflikt baut sich erst langsam weiter auf. Diesen Schritt zurück, dieses Verweigern des unmittelbaren Ausbruchs von Chaos habe ich extrem genossen und mich so weiter in die sich entwickelnde Beziehung zwischen unseren Protagonistinnen fallen lassen können.

In Nachhinein frage ich mich vor allem, wie die Beziehung der beiden hätte aussehen können, wenn keine weiteren Personen involviert gewesen wären. Weder Emira noch Alix kann man ein geplant böswilliges Verhalten vorweisen, doch ihre Umstände und Erfahrungen beeinflussen ihr Verhalten und lassen sie so für- aber auch gegeneinander agieren – selbst wenn das nicht ihr Plan ist. Diese realitätsnahe, unterhaltsame und verzwickte, dadurch aber auch sehr packende Erzählung konnte mich sehr schnell einfangen, durch die Minuten tragen, mit beiden Charakteren fühlen und fiebern lassen und mir auch die Bedeutung von Perspektiven naheführen. Wie so oft gibt es immer mehr als eine Wahrheit, mehr als eine Möglichkeit, die Dinge zu betrachten, sich zu erinnern und dementsprechend zu agieren, und dieser Roman führt uns vielerlei gesellschaftskritische Themen und verbundene Konflikte vor Augen, die nur bedingt gelöst werden, aber dadurch ein sehr authentisches und reflexives Bild entwerfen, welches den LeserInnen sicher noch lange in Erinnerung bleibt.

 

Fazit: Eine authentische, vielschichtige und packende Erzählung über zwei Frauen mit verschiedenen Erfahrungen, Motivationen und Zielen, die ihre Beziehung bestimmen und unsere Gesellschaft grandios widerspiegeln und damit die LeserInnen des Romans in Atem halten.

 

 

 

P.S.: Eine Verfilmung mit Reese Witherspoon fände ich grandios!

 

 


Wir können mehr sein: Die Macht der Vielfalt – Aminata Touré

Was in diesem Land anders werden muss.
Aminata Touré verbrachte die ersten Jahre ihres Lebens in einer Unterkunft für Geflüchtete, heute ist sie Vizepräsidentin eines Landtags. Dass sich dieser Satz wie eine Heldinnengeschichte liest, zeigt, dass wir noch nicht in einer offenen und gleichberechtigten Gesellschaft leben. Es ist höchste Zeit, das zu ändern.

Aminata Tourés Eltern flohen 1992, kurz vor ihrer Geburt, aus Mali. Im selben Jahr, während sie mit ihrer Familie in einer Flüchtlingsunterkunft lebte, brannten in Deutschland eben solche Häuser. Und das nicht zum letzten Mal. Ihr Buch handelt vom Aufwachsen als Schwarze Frau in einer Gesellschaft, die immer noch Mühe hat, ihren eigenen Rassismus zu erkennen, aber auch vom Weg in die Politik, von Erfolgen und vom Scheitern – nicht, um zu sagen, dass es schwer oder einfach war, sondern, um zu sagen, was in diesem Land anders werden muss. Politik kann mehr sein als Machterhalt und die Verwaltung der Zustände. Ein Aufruf an junge und diverse Menschen, in die Institutionen zu gehen, um die Politik und unser Zusammenleben zu verändern.

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Was ich zu sagen habe…

Der zweite Roman, der die Aufmerksamkeit sozialkritisch auf unsere Gesellschaft lenkt, ist tatsächlich keine Fiktion, sondern in gewisser Weise eine Autobiographie. Von der Autorin, Aminata Touré, hatte ich zuvor, um ehrlich zu sein, noch nie gehört, deswegen war ich sehr überrascht, sie unmittelbar in unserer nationalen Politik wiederzufinden. Nichtsdestotrotz vermochte sie es, mir auf nicht einmal 300 Seiten nicht nur ihr Leben, sondern auch jenes in einer Partei näher zu bringen. Wie sie richtig herausstellt, gibt es zu viele, die sich in unserer Politik nicht repräsentiert oder auch nur vertreten fühlen, jedoch auch nicht den Mut und die Möglichkeit zu finden glauben, selbst für sich einzutreten und etwas zu verändern. Abwechselnd berichtet Aminata aus ihren privaten Erfahrungen und ihren Erlebnissen in der von ihr gewählten Partei und zeigt dabei auf, wie es doch möglich ist. Sie räumt mir zahlreichen, festgefahrenen Bildern auf, die wir von einander und auch von Politikern, der Parteiarbeit und der Entscheidungen der hohen Tiere haben, sodass ein jeder es vermag, dahinter zu blicken und seine Vorurteile zu revidieren.

Emotional und politisch zusammen geht nicht? Aminata hat es satt, diese Dichotomie vorgehalten zu bekommen und zeigt in dieser Biografie, dass dies keine entgegengesetzten Pole auf einer Skala sind. Noch mehr: Sie zeigt und diskutiert über Themen, die jeden einzelnen von uns betreffen und bewegen sollte, die wir aber viel zu oft verdrängen, weil wir uns ihnen gegenüber machtlos fühlen. Aminata schafft mit ihren Worten jedoch Mut, weckt Tatendrang und balanciert ihren Roman dabei zwischen privater Erfahrungssammlung und sozialkritischem Sachbuch. Trotz der zahlreichen aktuellen und bewegenden Themen war es nicht überwältigend, ihren Ausführungen zu folgen, sondern ich habe mich vielmehr endlich in der Lage gefühlt, ihnen die Bedeutung zukommen zu lassen, die sie verdienen. Ich bin dank ihr offener für das Geschehen in unserer Politik, weniger ignorant und resistent gegenüber der Möglichkeit selbst etwas zu bewegen und bewundere die Autorin für ihre Stärke und ihren Willen, schwierige Themen nicht zu umschiffen, sondern offen anzusprechen und auszudiskutieren. Von Aminata Touré können sich trotz ihres jungen Alters viele eine Scheibe abschneiden.

 

Fazit: Aminata räumt tiefgründig und emotional, mit eigenen Erfahrungen und ohne den Anspruch unfehlbar zu sein mit Vorurteilen, dem Bild der Politiker beim gemeinen Volk und weiteren gesellschaftskritischen Themen auf. Sie erklärt und hinterfragt und entwirft damit ein zum politischen Engagement motivierendes Bild unserer Selbst.

 

 

 

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