[Rezension] Das Fundbüro für verlorene Träume von Helen Frances Paris *Rezensionsexemplar*

Seit dem bitteren Verlust, der ihr Leben erschütterte, hat sich Dot von der Welt zurückgezogen. Sie vergräbt sich in ihrer Arbeit im Londoner Fundbüro und geht ganz in ihrem Job als Hüterin verlorener Dinge auf. Ihre größte Freude ist es, wenn sie jemandem einen vermissten Gegenstand wiedergeben kann. Denn hinter ihrer stacheligen Fassade schlägt ein sehr großes Herz. Als ein bekümmerter älterer Herr in ihr Fundbüro kommt, der eine Tasche mit einem Andenken an seine verstorbene Frau darin verloren hat, setzt Dot alles daran, Mr. Applebys Tasche wiederzufinden. Dabei findet sie schließlich auch etwas, wonach sie gar nicht gesucht hat: sich selbst und ihr wahrhaftiges Leben.

Quelle, Hörprobe, Kaufen

 

Was ich zu sagen habe…

Auf dieses Buch wurde ich durch eine Bloggeraktion aufmerksam. In Leipzig versteckte Sandra von pigletandherbooks Ausgaben dieses Titels, als hätte jemand sie an verschiedenen Stellen verloren. Eine wunderbare Idee, die mich ungemein gespannt auf die Geschichte machte. Doch erst Monate später begann ich das Buch dann zu lesen bzw. zu hören. Es hätte wohl auch noch länger gedauert, wäre es mir nicht auf Netgalley als Hörbuch über den Weg gelaufen. So verschlang ich es innerhalb von drei Tagen und nahm daraus wundervolle Stunden und tiefgründige Erkenntnisse mit.

Dots Geschichte mutet anders an, als sie tatsächlich ist. Der Klappentext trifft die Handlung zwar recht gut, doch das Gefühl war doch schnell anders als von mir erwartet. Ich verfiel dem Schreibstil der Autorin schnell. Dank ihm brachte sie uns Dots strukturiertes und kontrolliertes Denken schnell nahe. Umso mehr konnten wir mit der Zeit kleine Veränderungen an ihr wahrnehmen. Unsere Protagonistin bringt verlorene Artefakte und ihre Besitzer*innen wieder zusammen, denn das gibt ihr das Gefühl, die Kontrolle über Verluste zu haben – etwas wieder zu kitten, was zerrissen ist. Dass sie dies bei einem Herrn Appleby nicht zu schaffen können glaubt, versetzt sie ebenso in Aufruhr wie einige weitere private und professionelle Ereignisse. Aus ihrer kontrollierten Komfortzone gerissen findet sie auf verschiedenen Ebenen etwas Verlorenes.

 

Warum? Das Wort schallt über die Klippe. […] Warum, Dad, hast du nicht gewusst, dass du mich mitreißt, wenn du springst?

 

Das Buch ist ungemein herzlich geschrieben, regt zum Nachdenken an, berührt und unterhält. Die Thematik wird mit dem Verlauf der Erzählung immer ernster, da wir uns mit Dot ihrer Vergangenheit stellen. Die Autorin webt Erinnerungen gekonnt ein und offenbart uns somit das Trauma und die Selbstvorwürfe, denen sich unsere Protagonistin stellen muss. Ihre zerrüttete Familie nimmt einen großen Teil ihres Denkens und ihrer Geschichte ein, sodass wir auch hier einige Entwicklungen genießen und bewundern dürfen. Mein Herz wurde auf verschiedenste Weisen zum Schnellerschlagen und Sich-Weiten gebracht. Auch ein wenig Romantik darf nicht fehlen, doch diese steht vollkommen am Rande und treibt die Geschichte nicht voran. Wir dürfen uns über die Möglichkeit freuen, aber viel mehr mit Dots inneren Kämpfen und äußeren Konflikten beschäftigen. Und nicht nur sie ist es, deren emotionalen Herausforderungen wir begleiten dürfen. Noch ist sie der einzige Charakter, der ganz beiläufig Diversität repräsentiert, was mich besonders gefreut hat. Obwohl unsere Protagonistin auch örtlich bewegt, findet ihre größte Reise doch allemal innerlich statt.

 

Fazit

Dieses Buch hat mich vollkommen überrascht und auf rührende, tiefgründige Weise von sich überzeugen können. Mit einem fantastischen Schreibstil bringt uns die Autorin unsere Protagonistin, ihr Denken, ihre Vergangenheit und ihre Entwicklung im Laufe des Buches näher. Ich hoffe, dies wird nicht mein letztes Buch der Autorin sein.

 

 


Die Autorin:

Helen Frances Paris ist künstlerische Leiterin des Londoner Theaters Curious. Ihre international ausgezeichneten Theaterinszenierungen und Performances wurden auf der ganzen Welt gezeigt, von Edinburgh über New York bis Sydney und Taiwan. Sie war fast zehn Jahre lang Professorin für Theaterwissenschaft an der Stanford University in Kalifornien und lebt jetzt wieder in Großbritannien. Q

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