[Rezension] Nothing Left for Us von Alice Oseman *Rezensionsexemplar*

„Hallo. Hoffentlich hört mir jemand zu …“
Frances hat nur ein Ziel: Cambridge. Um es auf die Eliteuni zu schaffen, lernt sie Tag und Nacht. Nichts soll ihr im Weg stehen – weder Freunde noch ihre Leidenschaft fürs Zeichnen.
Da begegnet Frances Aled, dem schüchternen Genie hinter ihrem Lieblingspodcast. Mit ihm kann sie Zeit verbringen, ohne ständig unter Strom zu stehen. Doch als Aleds Podcast viral geht, droht die Freundschaft zu zerbrechen. Plötzlich muss sich Frances fragen: Was ist ihr im Leben wichtig? Wer will sie wirklich sein?
Finde dich selbst in dieser außergewöhnlichen und tiefgründigen Geschichte
Mit ihrem Coming of Age-Roman Nothing Left for Us erzählt Alice Oseman eine eindrückliche Geschichte über Erfolgsdruck und beschreibt durch den Einsatz von Podcast-, Mail- und Chatnachrichten einfühlsam die Bedeutung von Freundschaft und Selbstfindung.

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Lieblingsbuch-Potenzial

Alice Oseman ist im letzten Jahr von einem Insider-Tipp zur Ikone für diverse Charaktere und ergreifende Geschichten geworden. Seit der Verfilmung ihrer Heartstopper-Comics durch Netflix ist ihr Name weltweit bekannt. Ich selbst bin erst kurz vor der Veröffentlichung der Serie auf sie aufmerksam geworden, doch heute liebe ich sie abgöttisch. Für mich geht kein Weg mehr an ihren Büchern vorbei. Nun da sie Stück für Stück ins Deutsche übersetzt werden, kann ich sie sogar als Rezensionsexemplare erhalten und innerhalb weniger Tage verschlingen. Denn stecke ich einmal in den Köpfen ihrer Protagonist*innen, gibt es für mein kein Entkommen bis zur allerletzten Seite.

 

Mit Radio Silence/Nothing Left for Us schenkt uns die Autorin erneut ein gefühlvolles und originelles Leseerlebnis.

 

Originell in erster Linie dadurch, dass sie mit ihren Figuren Menschen repräsentiert, die sich noch viel zu selten in Roman widergespiegelt finden. Darauf aufbauend ist auch die erzählte Geschichte etwas Neues, Unerwartetes und umso Rührenderes. Mit Frances und Aleds Geschichte lehrt sie mich nicht nur mehr über Asexualität und die immense Bedeutung von Freundschaft für das Individuum. Sie schafft es auch, mir trotz der Tatsache, dass ich Frances und Aled nicht in allen Punkten ähnele, ein ungemein heimisches Gefühl zu geben. In ihnen, ihren Träumen, ihren Ängsten und ihren geglaubten Grenzen finde ich so viel Mut und Inspiration und Liebe.

 

„Und warum hast du dann mit mir geredet?“
In dem Moment, in dem er sagte „Ich bin so unscheinbar“, antwortete ich: „Weil du cool bist.“
Wir sahen uns an.
Dann lachte Aled leide und meinte: „Das ist so seltsam.“
„Möchtest du berühmt werden?“
„Ich möchte nur… etwas Besonderes sein.“
„Bist du doch schon.“
Er lachte. „Halt die Klappe.“

 

Das Buch befasst sich viel mit uns aufgedrängten Rollen. Das können vermutlich vor allem Menschen aus der LGBTIQA+-Community nachempfinden. Jedoch setzt Alice auf einer viel grundlegenderen Ebene an. Sexualität ist durchaus ein Thema in diesem Buch, aber eben nur eines von vielen. Als Young Adult-Roman begleitet dieses Buch Frances und Aled in der Phase zwischen High School und Universität. Mit ihnen stellen wir uns zahlreiche Fragen darüber, was und wer wir eigentlich sein wollen. Ob der allgemein angenommene und geforderte Weg wirklich der Richtige für uns ist. Zudem hinterfragt das Buch Blut- und Wahlfamilien. Besonders vor Weihnachten finde ich die hier getroffene Botschaft wichtig: Die Familie, in die ein Individuum hineingeboren wird, kann ebenso toxisch sein wie selbstgewählte Beziehungen. Ihr habt ihr gegenüber keinerlei Verpflichtung, denn ihr wurdet ohne freie Entscheidung in sie hinein geboren. Und auch Feste sind keine Entschuldigung dafür, euch schlecht zu fühlen oder behandeln zu lassen. Gebt auf euch Acht!

 

Neben diesen tiefgründigen Themen gibt es aber auch viel Hoffnung und Freude.

 

Die Beziehung von Frances und Aled hat mich mehrfach zu Träen gerührt und immer wieder zum Lachen gebracht. Sie harmonieren auf ganz unerwartete, simple Weise. Alice vermag es, ganz beiläufige Momente mit emotionalen Begebenheiten abzuwechseln. So gibt sie dieser bewegenden Geschichte trotz allem Momente zum Durchatmen und Erfreuen. Auch ein paar spannende, beinahe krimi-ähnliche Handlungsstränge webt sie geschickt und realistisch ein. Während wir Frances‘ Erzählung folgen, kommen zahlreiche Fragen auf, die schlussendlich zum Großen und Ganzen beitragen. Dadurch präsentiert die Autorin ihre Ausgeklügeltheit und ihr Talent.

 

Vermutlich denkt ihr, Aled Last und ich, wir würden uns ineinander verlieben oder so etwas. Weil er ein Typ ist und ich ein Mädchen.
Dazu will ich nur eins sagen:
Das passiert nicht.
Und das war’s auch schon.
„Wieso bist du so nett zu mir?“
„Weil ich ein Engel bin.“
„Das bist du wirklich.“ Er streckte den Arm aus und tätschelte meinen Kopf. „Und ich bin platonisch in dich verliebt.“
„Das war die Boy-Girl-Version von ’no homo‘, aber ich weiß das Gefühl zu schätzen.“

 

Erneut möchte ich die Repräsentativität dieses Romans loben. Auf vielerlei Ebenen spiegelt Alice mit ihren Figuren Charakterzüge, -wünsche und Identitäten wider, die noch immer zu selten in Romanen zu finden sind. Dennoch sind ihre Charaktere keine Prototypen oder dergleichen. Frances und Aled sind so vielschichtig und authentisch, dass wir Lesenden nicht umhin kommen, mit ihnen zu hoffen und auch zu leiden. Ihre Leidenschaft für ihren Science-Fiction-Podcast über einen agender Jugendlichen verleiht dem Roman nicht nur eine weitere Erzählebene, sondern auch ein Mysterium, das es für uns wie auch für Frances zu enträtseln gilt.

 

Fazit

Ein weiterer Roman von Alice Oseman, der mich nicht nur mitten ins Herz trifft, sondern auch von dem Talent der jungen Autorin überzeugt. Ihre Charaktere sind repräsentativ und zugleich authentisch, vielschichtig und inspirierend. Dieses Buch thematisiert auf bewegende und hoffnungsvolle Weise zahlreiche Probleme, mit denen Jugendliche sich konfrontiert sehen. Es zeigt sowohl die mit ihnen einhergehende Ohnmacht als auch die Stärke darin, auszubrechen und Freundschaft über familiäre Bande zu stellen.

 

 


Die Autorin:

Alice Oseman veröffentlichte den ersten Roman mit 19 Jahren. Inzwischen sind drei weitere Jugendromane erschienen sowie die erfolgreiche Webcomicserie Heartstopper. Alice starrt am liebsten stundenlang auf einen Computerbildschirm, stellt dabei die menschliche Existenz in Frage und tut alles Mögliche, um einen ordentlichen Bürojob zu vermeiden. Q

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