[Hörbuch] STONE BLIND – Der Blick der Medusa von Natalie Haynes *Rezensionsexemplar*

Medusa – Schwester, Opfer, Monster?

Medusa wächst bei ihren Schwestern auf und merkt schnell, dass sie anders ist – eine Sterbliche in einer Familie von Göttern. Von ihrer Schönheit angezogen, bedrängt der Meeresgott Poseidon sie im Tempel der Athene. Die Göttin wähnt ihren Tempel entweiht und lässt ihre Wut an der Unschuldigen aus: Medusa wird in ein Monster mit Schlangenhaaren verwandelt, das kein Lebewesen mehr ansehen kann, ohne es zu Stein erstarren zu lassen. Aus Rücksicht verdammt Medusa sich zu einem Leben in der Einsamkeit. Bis der junge Perseus sich aufmacht, das Haupt eines Ungeheuers zu erlangen …

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Mythologisches Retelling mit Perspektivwechsel

Von diesem Buch hatte ich bereits viel gehört, als ich das Hörbuch auf Netgalley entdeckte und anfragte. Die Figur der Medusa fasziniert mich bereits seit Jahren, weswegen ich diese Neuerzählung ihrer Geschichte unbedingt erleben wollte. Tatsächlich nimmt sie und ihre Handlung jedoch einen relativ geringen Teil des Buches ein. Diese erzählt größtenteils von den Gottheiten, die ihr Schicksal bestimmen. Da ich mich bereits recht gut mit deren individuellen Geschichten auskannte, gab mir dieser nicht allzu viel Neues, bereitete mir aber dennoch eine unterhaltsame Lesezeit. Vor allem da die Gött*innen im Gegensatz zu den Halb-Menschen recht erhaben und schlau davonkamen.

 

Perseus – Prota- oder Antagonist?

In dieser Fassung ist es wohl sehr eindeutig, wo der mythologische Held positioniert wird. Dennoch erlaubt uns Natalie Haynes, auch seine Geschichte, seine Zeugung und schlussendlich auch seine Verwicklung in die Geschichte in ihrer Facettenreiche zu verstehen. Dadurch, dass wir jedoch von seiner Mutter zu Medusas, zu wieder einer anderen Handlung springen, die ins Ganze hineinspielt, scheint die Chronologie der Ereignisse durcheinander oder zumindest verwirrend. Nichtsdestotrotz habe ich die individuellen Lebensbahnen gern verfolgt und deren Zusammenhänge erkundet. Besonders gut kommt  der sonst als Held bezeichnete Perseus in all dem jedoch nicht davon. Diese neue Perspektive auf ihn, ein Kind, das sich zu viel zutraut und für sein Abenteuer immer wieder göttliche Unterstützung benötigt, war durchaus erfrischend. Sie verleiht der bekannten Erzählung eine Wendung, die Medusa zwar nicht als Heldin, aber zumindest auch nicht als Monster präsentiert.

 

Medusa – Titelfigur oder Kollateralschaden?

Meine größte Kritik an diesem Buch ist leider, dass der Titelcharakter verhältnismäßig wenig Raum erhält. Wir dürfen ihre Geschichte durchaus neu interpretieren, doch wirklich selbst zum Handeln kommt sie nicht. Vielleicht ist dies gewollt, um ihrer monströsen Erscheinung als tötende Furie in anderen Legenden entgegenzuwirken. Ich jedoch habe es vermisst, ihr wirklich nahe zu kommen. Leider war mir dies mit keiner Figur wirklich möglich. Die zahlreichen Wechsel zwischen Bezugspunkten und Ereignissen erlaubte es mir nicht, wirklich Sympathie oder Empathie für jemanden zu empfinden. Somit wurde die aufgrund der Thematik und Figuren erwartete, emotionale Hörzeit eher zu einer Nebensächlichkeit. Nach dem Ende des Hörbuches blieb mir nicht wirklich viel von der Geschichte im Kopf, geschweige denn im Herzen.

 

Fazit

Meine Erwartungen waren zugegebenermaßen hoch, jedoch durchaus erfüllbar. Mit den vielen Wechseln von einer Figur zur nächsten, einem Event zum anderen, konnte ich mich auf keinen Charakter richtig einlassen. Einzig Medusa steht trotz ihrer vorwiegenden Passivität als Sympathieträgerin hervor. Dabei wird es ihr einzig erlaubt, sich dem stereotypischen Bild einer mordenden Furie zu widersetzen.

 

 


Die Autorin:

Natalie Haynes ist Schriftstellerin sowie Journalistin bei The Guardian und der BBC. Sie studierte Altphilologie in Cambridge und macht die klassische Antike durch ihre Arbeit für viele Menschen zugänglich. In Großbritannien und den USA wird die Bestsellerautorin von Publikum und Presse als »Rockstar der Mythologie« (Washington Post) gefeiert. Mit »STONE BLIND − Mein Name ist Medusa« und »A Thousand Ships – Die Heldinnen von Troja« erscheinen erstmals Titel der New-York-Times-Bestsellerautorin auf Deutsch. Q

Die Sprecherin:

Laura Maire arbeitet als Schauspielerin, Hörbuch- und Synchronsprecherin. Als Stimme von Rose Leslie ist sie u. a. in »Game of Thrones« und »The Time Traveler’s Wife« zu hören. Als Sprecherin ist sie sowohl bei Kinder- und Jugendhörbüchern als auch bei Erwachsenentiteln in nahezu allen Genres vertreten und überzeugt mit ihrer Vielfältigkeit. Für ihre herausragenden Sprecherleistungen wurde sie 2011 und 2014 mit dem Deutschen Hörbuchpreis in der Kategorie »Beste Interpretin« geehrt. Q

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