[Hörbuch] Brooklyn von Colm Tóibín *Rezensionsexemplar*

Ein Aufbruch ins Unbekannte: Die junge Irin Eilis Lacey wandert um 1950 nach Amerika aus, um in Brooklyn eine neue Arbeit zu finden. Doch sie passt sich nur langsam an das neue Leben an, schließt nicht leicht Freundschaft. Ganz allmählich gewinnt sie Selbstvertrauen und merkt, dass sie zu einer selbständigen, erwachsenen Person geworden ist. Das macht ihr die Entscheidung zwischen Irland und Amerika, zwischen dem einen und dem anderen Mann, nicht leichter.

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Zu lange aufgeschoben

Dieses Buch ist mir vor etwa fünf Jahren auf einem Flohmarkt in die Hände gefallen. Damals hat mich mehr die Filmadaption mit Soarise Ronan als das Buch selbst angesprochen, weswegen ich vermutlich auch schnell wieder das Interesse verloren habe. Als ich dieses neue Hörbuch auf Netgalley entdeckte, wollte ich der Geschichte jedoch endlich eine Chance geben und habe sie schlussendlich in wenigen Tagen ausgehört. Die Handlung beginnt recht besonnen und nimmt dann mit zunehmender Veränderung auch an Fahrt auf. Bis zum Ende konnte ich nicht genau sagen, was mir diese Geschichte sagen soll, doch genossen habe ich sie durchaus.

 

Zwei Welten

Eilis finden wir zuerst in ihrer Heimat Irland vor, wo sie jedoch keinen geeigneten Job findet. Wir werden mir ihrer Familie und ihrem Alltag vertraut gemacht. Dann wird ihr jedoch angeboten, nach Amerika zu ziehen und dort eine Ausbildung zu machen, einen Job anzunehmen. Wir können ihr Zögern und ihr bald folgendes Heimweh durchaus nachempfinden, wo wir doch bisher nichts anderes kennengelernt haben. In den USA begegnen wir dann ganz neuen Figuren und Eilis‘ Heimat rückt stark in den Hintergrund. Eilis strebt auf, bildet sich fort, baut sich in Leben auf und findet schließlich sogar Liebe. Oder so? Die Beziehung von ihr und Tony wird definitiv nicht so stark romantisiert, dass wir ihr unmittelbar verfallen. Sie gleicht eher einem Slow Burn, der vor allem von seiner Seite aus immer mehr intensiviert wird. Ich habe diesen Teil der Erzählung genossen, jedoch mehr Gefallen an den beiläufigen sozialen Kommentaren gefunden. Diese haben den historischen Kontext wundervoll beschrieben und kulturelle Unterschiede zwischen den Immigrant*innen aufgezeigt, die doch aus demselben Grund eingereist sind.

 

Zwei Lieben?

Der letzte Teil des Buches führt Eilis dann zurück nach Irland. Zugegebenermaßen fiel es mir schwer, ihre Gefühle bezüglich des Grundes für ihre Rückkehr, noch für ihre dortigen Entwicklungen nachzuvollziehen. Das Buch wirbt zwei Lieben an (und intensiviert dieses Spiel noch einmal in der Fortsetzung), doch ganz nachempfinden konnte ich es nicht. In gewisser Weise kann ich mir einen Kommentar übers Immigrieren hier gut vorstellen. Über den Konflikt zwischen dem Bekannten und Fremden, traditionellen und bekannten Werten sowie neuen. Ich persönlich habe Eilis‘ Empfindungen bezüglich Jim, ihrer angeblichen Jugendliebe, nicht fühlen können. Vielmehr vermutete ich hinter ihrem Zweifel an der USA und ihrer dortigen Beziehung einen Hang zu ihrer Heimat. Für mich war Eilis selbst oftmals zu distanziert von ihren eigenen Entscheidungen und Empfindungen, sodass ich diese nicht nachvollziehen konnte. So konnte ich mir vieles nur zusammenreimen oder vermuten.

 

Fazit

Dieses Buch stand seit Jahren auf meinem TBR, nun habe ich es endlich als Hörbuch erlebt. Leider konnte es mich trotz der interessanten Thematik von Immigration und kulturellem Umschwung nicht vollends von sich überzeugen. Die Liebe, die Eilis mit ihrer ursprünglichen und neuen Heimat verbindet, konnte mich mehr von sich überzeugen, als das meiner Meinung nach sehr erzwungene Liebesdreieck.

 

 


Der Autor:

Colm Tóibín, 1955 in Enniscorthy geboren, ist einer der wichtigsten irischen Autoren der Gegenwart. Bereits sein erster Roman Der Süden (1994) wurde von der Kritik enthusiastisch gefeiert. Sein Werk wurde mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet, u. a. mit dem IMPAC-Preis und dem David Cohen Prize for Literature. Die Verfilmung seines Romans Brooklyn war 2016 für die Oscars nominiert. Für seinen zuletzt erschienen Roman Der Zauberer (2021) erhielt er den Rathbones Folio Prize 2022. Q

Die Sprecherin:

Katja Danowski, geboren 1974, studierte Schauspiel an der Berliner Hochschule der Künste. Sie war am Berliner Ensemble, am Staatstheater Stuttgart und am Deutschen Schauspielhaus Hamburg engagiert. Für das Kino stand sie zum Beispiel in der Romanverfilmung Herr Lehmann vor der Kamera. Im Fernsehen ist Katja Danowski neben Filmen wie Jürgen – heute wird gelebt auch in Reihen wie Tatort, Finn Zehender und Rentnercops zu sehen. Die erfahrene Hörbuchsprecherin überzeugte unter anderem bei All die kleinen Vogelherzen, Der Tote aus Zimmer 12 und Drei Frauen, vier Leben durch ihre Stimmenvielfalt. Q

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