Passt die Liebe zweimal in ein Leben?
Georgina, 26, hat ihr Leben durchgeplant: der sichere Job als Klavierlehrerin angeödeter Kinder, der feste Freund Douglas, der gemeinsame Google-Kalender. Dann geht sie zu einem Konzert, und alles ist anders. Die Sehnsucht, selbst Musik zu machen, ist wieder da – und Kit, die Schlagzeugerin, die ihr den Atem raubt. Gina hat keine Ahnung, welches Leben das richtige ist. Also bleibt sie tagsüber in ihrem sicheren Hetero-Alltag mit Douglas. Nachts wird sie zu George, die als Keyboarderin in Kits Band spielt und auf Frauen steht. Doch kann sie wirklich beides haben?
Ein so kluger wie cooler Roman über die Frage, was wir wagen müssen, um glücklich zu sein.
Eine Protagonistin, die sich selbst ebenso sucht wie wir sie
Die Prämisse dieses Buches hat mich unmittelbar begeistert. Obwohl ich bereits viele Gay Romances gelesen habe, erlebte ich bisher wenige Protagonistinnen, die sich zum eigenen Geschlecht hingezogen fühlen. Noch spannender wurde die Geschichte für mich, als Georgina sich nicht als lesbisch entpuppt, sondern als bisexuell. Dies baut in ihrem Leben eine ungemeine Spannung auf, augenscheinlich zwei verschiedene Welten, die sie nicht zugleich zu vereinen weiß, wenn überhaupt jemals. Genau das war wohl auch mein größter Kritikpunkt in Ginas Geschichte. Ihre Konflikte entstehen zumeist weniger aus ihren Gefühlen für andere Menschen, sondern aus ihrer Unfähigkeit, sich selbst zu akzeptieren und mit ihren neu entdeckten Geschmäckern anzufreunden. Sie betrachtet ihre queere Seite als etwas anderes als ihr alltägliches Ich, was mich auf Dauer etwas ausgelaugt hat. Allemal sorgt dieser innere Zwiespalt für einige sehr emotionale, rührende Momente und eine bewegende Botschaft über Selbstliebe und -akzeptanz am Ende der Geschichte.
„Kannst du das hören?, fragt sie.
„Was denn?“
„Das Klopfen.“ Sie blickt sich suchend um, schaut unter dem Tisch und unter ihrem Stuhl nach. „Klingt, als säße da jemand in einem Schrank fest.“
Klischees und deren Wiederlegung
Dieses Buch bietet wundervolle Charaktere, von denen unsere Protagonistin mich wohl am meisten aufgeregt hat. Was jedoch daran liegt, dass wir ihre inneren Konflikte hautnah und authentisch miterleben dürfen. Die anderen queeren und cis Charaktere sind aber nicht minder rund und sympathisch. Besonders Ginas Freund Doug, aber auch ihre beste Freundin Sophie sind mir ungemein ans Herz gewachsen. Und Gina lernt neben neuen Seiten an sich auch weitere wundervolle Menschen kennen, die ihr Leben bereichern, aber auch verkomplizieren. Sobald Gina in die queere Szene eintaucht und sich in dieser einlebt, fasst das Buch zahlreiche Klischees über Lesben und Bisexuelle auf. Doch anstatt diese auszubeuten, spielt es mit ihnen und reflektiert sogar intensiv über diese, wenn Gina sich mit ihnen konfrontiert sieht. Auch überrascht es mit wenigen aktivistischen, gesellschaftskritischen Ansätzen, die geschickt in die Geschichte eingeflochten werden.
Ich will beides machen. Ich will beides sein. Ich bin beides.
Emotionen und Humor kommen nicht zu kurz
Zwar kommt irgendwann der Punkt, an dem ich Gina gerne eine scheuern würde, andererseits verstehe ich sie unfassbar gut. Ihre Gefühle und ihre Zweifel und Sorgen werden uns nachvollziehbar geschildert. Wir schämen und freuen und gleichermaßen mit ihr. Und nicht nur ihre neuentdeckte, queere Seite beschäftigt sie, sondern auch weitere, beiläufige, aber sie nicht weniger ausmachende Probleme und Möglichkeiten. Ihr Job als Lehrerin entwickelt schlussendlich einen interessanten Zusatz zur Handlung, ebenso der Verlust ihres Vaters, der sie seit Jahren verfolgt. Georginas Leidenschaft für Musik ist spürbar und erfüllt uns in einigen Momenten ebenso wie sie. Und selbst wenn Ginas Leben ganz schön auf den Kopf gestellt wird, dringt neben den rührenden und bedrückenden Konflikten immer wieder der humorvolle Unterton der Geschichte hervor. Die Autorin bereitet uns mit diesem Roman somit ebenso viel Freude wie Kopfzerbrechen – was ich durchaus positiv meine.
Ich kann nicht glauben, dass mir ein Disziplinarverfahren droht, weil ich queer bin. Ich war jahrelang eine furchtbare Lehrerin, und ausgerechnet jetzt wollen sie plötzlich über das Wohlergehen der Kinder reden?
Fazit
Dieser Roman bietet mehr als zuerst angenommen. Er handelt nicht nur von der Entdeckung einer queeren Seite, sondern davon, Leidenschaften zu leben, selbst wenn einem davor graut. Georgina ist keine durchweg moralisch vorbildliche Person, aber dafür eine umso interessantere Protagonistin. Ich habe ihre und die nebenbei erzählten Geschichten mit all ihren Emotionen und ihrem Humor mit Vergnügen gelesen.
Die Autorin:
Lily Lindon studierte Englisch in Cambridge und arbeitete bei Penguin Random House als Lektorin der „Vintage Classics“, wo sie die Liebesbriefe von Virginia Woolf und Vita Sackville-West herausgab. Derzeit unterrichtet sie kreatives Schreiben und moderiert »Wit Lit«, einen Interview-Podcast über lustige Bücher. Auch wenn ihre Eltern das vermutlich besser nicht erfahren, gewann sie mit einer ihrer Erzählungen den Comedy „Women in Print“-Preis für die witzigste Sexszene. »Double Booked« ist Lilys Debütroman. Q